Barrierefreiheit
Wir wünschen uns eine globale Community, in der wir alle wirklich gleichberechtigt nebeneinander auf einem Level selbstbestimmt leben können. In der alle ein würdevolles Leben führen können und in die Gesellschaft einbezogen sind und diese mitgestalten, unabhängig davon, ob sie einen Rollstuhl nutzen, sehgeschädigt/sehbehindert, neurodivers oder chronisch schmerzkrank sind. Es ist wichtig, dass die (Lohn-) Arbeit behinderter Menschen genauso geschätzt und vergütet, und die Altersversorgung gesichert wird, wie die nicht-behinderter Menschen. Barrierefreiheit muss in jeglichen Räumen angestrebt werden. Da wo Barrierefreiheit nicht baulich oder technologisch hergestellt werden kann, muss sie durch Dienstleistung ermöglicht werden. Die Forschung für Barrierefreiheit und die Herstellung von Technologie braucht umfassende Finanzierung (siehe “Forschung – Wissenschaft – Technologie”, “Wohnen – Leben – Versorgung”)
Wenn das Wort “Barrierefreiheit” fällt, denkt der Mensch erstmal sehr einfach. Er denkt z.B. an Rampen für Rollstuhlfahrer. Dabei geht es um viel mehr! Es geht um Selbstbestimmung, es geht um Freiheit. Jeder Mensch sollte, ungeachtet seiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten in der Lage sein, alles zu tun wonach Ihr oder ihm gerade ist. Dies ist in Deutschland auf vielen Ebenen nicht möglich. Es leben ca. 7.9 Millionen Menschen mit Behinderung in Deutschland (stand Ende 2019). Von diesen Menschen hat ein Großteil noch immer keinen Zugang zu verschiedensten Medien, da diese für z. B. blinde Menschen oder hörgeschädigte Menschen nicht geeignet sind.
Selbst eines der elementarsten Rechte der Menschen, das Recht, Notdurft zu verrichten, wird massiv eingeschränkt, da es weder im öffentlichen Raum noch in den meisten Restaurants und dergleichen, barrierefreie Toiletten gibt. Für behindertengerechte Toiletten im öffentlichen Raum, benötigt man dann meist einen Schlüssel, dessen Kaufpreis zynisch als Pfand dargestellt wird. Diese Schlüssel müssen kostenlos und ohne Pfand zu hinterlegen bereitgestellt werden.
Auch das Recht auf Bewegungsfreiheit mit dem ÖPNV wird beschränkt. Es wird bspw. verlangt, dass die Menschen sich vorher anmelden um überhaupt befördert zu werden. Wird dies nicht getan, weil z.B. eine spontane Unternehmung ansteht, wird entweder darauf hingewiesen, dass eine Anmeldung erforderlich ist oder es wird gar nicht befördert.
Das Recht auf Bildung wird schon in den ersten Lebensjahren der Menschen mit Behinderung beschnitten, da es versäumt wird, sowohl die räumlichen Gegebenheiten zu schaffen, als auch die Grundvoraussetzung auf personeller Ebene zu treffen. Eltern sind dann oft gezwungen, ihre Kinder mit Behinderung in ein Kindergarten/eine Schule zu schicken, welche als „spezielle Einrichtung für Menschen mit Behinderung“ deklariert wird. Dort werden dann Kinder mit verschiedensten körperlichen und geistigen Einschränkungen zusammen „gefördert“, bzw. „unterrichtet“. Dies wird weder dem Kind als Individuum gerecht, noch sind die personellen Expertisen in vollem Umfang gesichert.
Jedem Individuum in unserer Gesellschaft steht das Recht zu, sich eigenständig, unabhängig und frei zu bewegen und zu entfalten. Vielen Menschen ist dies jedoch nicht möglich, weil es keine ausreichende Barrierefreiheit gibt; seien es Stufen am Eingang eines Cafés oder eingeschränkte Möglichkeit zur Kommunikation, weil die umstehenden Menschen keine Gebärdensprache können oder keine einfache Sprache nutzen. Das muss sich ändern. Volle Teilhabe am Leben - privat und gesellschaftlich - muss jederzeit und überall auf jede Weise möglich sein. Nur so hat jeder Mensch eine reale Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben. Ebenso muss sichergestellt sein, dass Unterstützungs- und Therapieleistungen von den Krankenkassen ohne monate- oder jahrelangen Papierkrieg bewilligt und die Wartezeiten für Behandlungs- und Untersuchungstermine drastisch verkürzt werden.
Das Bundesteilhabegesetz bewirkt leider keine realitätsnahe und individuelle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. So besteht ein erster Schritt darin, dieses Gesetz unter Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen zu ändern und realitätsnah umzuschreiben und eine lückenlose Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zu verfolgen. Zudem ist es wichtig, die Zugänge zu und generell alle Gebäude und Transportmittel barrierefrei zu gestalten, diese auch generell barrierefrei (um-)zu bauen und im Zuge dessen auch dafür zu sorgen, dass bauliche Veränderungen (z. B. eine Rampe) ohne große bürokratische Hürden durchgeführt werden können. Dementsprechend müssten sich Menschen mit Behinderung auch nicht mehr bei den Öffentlichen Verkehrsbetrieben anmelden, um reisen zu können. Dies ist momentan vorgeschrieben, um z. B. eine Person zur Hand zu haben, die eine Rampe für die Nutzung des Verkehrsmittels bereitstellt. Auch ist es wichtig, dass Autovermietungen und Freizeitparks zur Barrierefreiheit verpflichtet werden.
Gebärdensprache, einfache Sprache und die vielfältigen Behinderungen sollten in Kindergärten und Schulen besprochen und gelehrt werden und ebenso der Umgang mit z.B. Menschen, die eine Panikattacke in der Öffentlichkeit erleiden. Zudem ist es notwendig, Brailleschrift ab der Grundschule zu lehren und behördliche Briefe neben der Muttersprache einer Person auch in Brailleschrift zu verfassen. Behindertenwerkstätten und isolierte Behindertenschulen und -heime müssen abgeschafft und Menschen mit Behinderungen aktiv in die Gesellschaft einbezogen werden, z. B. durch vollwertig bezahlte Arbeitsstellen, Betreutes Wohnen mitten in der Stadt - nicht am beschämten Rand, getrennt vom Kern des sozialen Lebens und nicht-behinderten Menschen - Alle Einrichtungen müssen selbstorganisiert sein.
Auch muss die Ausgleichsabgabe für Arbeitgeber - die als Strafzahlung für das Nicht-Einstellen behinderter Mitarbeitender gedacht ist - um ein Vielfaches erhöht werden. Es ist gängige Praxis, dass Unternehmen lieber diese Abgabe zahlen als Mitarbeitende mit Behinderung einzustellen. Wir finden eine Neufestlegung der Ausgleichsabgabe in Höhe von 50% des Vorjahresgewinn passend. Zum einen ist es sicherlich eine Höhe, die den Unternehmen weh tut, zum anderen trifft es kleine und große Unternehmen gleichmäßig stark, da die Abgabe abhängig vom Gewinn ist und nicht pauschal irgendein Betrag veranschlagt wird.
Der Zugang zu Unterstützung und Therapieangeboten muss dringend verbessert und die Hürden zur Bewilligung ebenjener abgeschafft werden. Menschen sollten nicht Monate auf eine dringend benötigte Psychotherapie warten oder ein halbes Jahr mit ihrer Krankenkasse kämpfen müssen, um Hilfsmittel bewilligt zu bekommen. Unterstützung suchende Menschen sollten nur einfach um Hilfe bitten und nicht über Monate oder Jahre in Bittstellung gehen müssen, um ein grundlegendes Level an Lebensqualität zu erhalten. Ebenso sollte es verpflichtend für alle ärztliche Praxen sein, dass diese barrierefrei zugänglich sind.
Ebenso gilt es, den Prozess zur Festlegung von Pflegegraden realitätsnaher zu gestalten, indem z.B. die Hausbesuche von Mitarbeitenden der Pflegekasse nicht nur eine Stunde dauern, sondern über einen oder mehrere Tage gehen. Nur so kann man sich ein umfassendes Bild von der gesundheitlichen Situation der Person machen und den optimalen Pflegegrad bestimmen. Ebenso sollte schriftlichen Einschätzungen der Hausärzt:innen größere Bedeutung beigemessen werden.
Momentan gehört die Gesellschaft den Menschen, die keine Behinderung haben. Sie können überall hin, haben Zugang zu Ämtern, Restaurants, Transportmitteln, Spielplätzen, Läden. In einer idealen Gesellschaft sorgt eine Behinderung nicht dafür, dass eine Person zum Menschen dritter Klasse wird. In einer solidarischen, machtkritischen und vorurteilsbewussten Gesellschaft, die auch die Überschneidungen von Benachteiligungen beachtet, wird niemand behindert, teilzunehmen und dazu zu gehören.