Kinder und Jugendliche

Kinder sind eigenständige Persönlichkeiten mit eigenen Bedürfnissen und Wünschen und Vorstellungen. Durch das gewissermaßen natürliche Machtgefälle zwischen Kindern und den Begleitenden und Erziehenden in frühen Phasen von Kindheit, entwickelt sich daraus ein Dominanzverhältnis, auch wenn Kinder bereits eine gewisse Reife besitzen, eigene Meinungen, Wünsche und Pläne zu formulieren.

Bedürfnisse von Kindern werden außerdem dem kapitalistischen System untergeordnet, indem die Erziehenden und Begleitenden bereits in diesem System existieren und es unterschiedlich bewerten oder sich der Wirkung dieses Systems bewusst sind.

Erziehende und Begleitende gehen Lohnarbeit nach, erzielen Arbeitseinkommen und Kinder müssen sich diesem Rhythmus und diesem Lebensstil unterordnen und anpassen. Die Art und Weise, wie Kinder wie selbstverständlich dementsprechend den bestehenden Institutionen Kitas und Schule überlassen werden, sollte hinterfragt werden.

Da ist wenig Raum für Wahlmöglichkeiten und wenig Raum für Selbstbestimmung.

Auch wenn wir das bestmögliche und kinderfreundlichste Kita- Betreuungs- und Schulsystem entwerfen, bleibt es adultistisch, dass Kinder keine andere Wahl haben. Das bestehende Schulsystem ist darüber hinaus so organisiert und gestaltet, dass es Kinder für das Funktionieren im kapitalistischen System formt. Daher muss mindestens umgehend dafür gesorgt werden, dass Kita und Schule Orte der Persönlichkeitsentfaltung werden, die Raum bieten für selbstbestimmte Zeit, unabhängig von Bewertung und Leistungsdruck (siehe auch Bildung & Bildungsgerechtigkeit).

Vor allem in urbanen Räumen, aber in gewisser Hinsicht auch außerhalb urbaner Räume ist der Bewegungsspielraum von Kindern ausgesprochen begrenzt. Sicherheitsbedenken, aber auch schon die Wohnsituation in Städten mit wenig Zugang zu Grünflächen und Naturraum, beschränken Kinder in ihrem Bewegungsdrang.

Nicht wenige Kinder wachsen immer noch in Lagern bzw. Sammelunterkünften auf, wo ihre Lebensrealität und Wohnsituation von dem was als Normalität gilt, stark abweicht und wo das was für Teilhabe allgemein und im Bildungssystem speziell gebraucht wird, Lernraum, Sicherheit und Ruhe, nicht gegeben ist.

Die massiven sozialen Unterschiede in unserer Gesellschaft bewirken, dass sehr viele Kinder in Armut aufwachsen und vernachlässigt oder gar verwahrlost sind, ohne dass die Erziehenden und Begleitenden das verhindern können, weil sie oft selbst im bestehenden System Unterdrückung erleben und benachteiligt sind.

Viele Schwarze Kinder und Kinder of Colour sind außerdem Rassismus ausgesetzt, oft durch Erwachsene, denen gegenüber sie machtlos sind. Hier überschneiden sich Rassismus und Adultismus. Es gibt kaum wirksame Hebel für Kinder, um sich zu schützen und um Wiedergutmachung zu erreichen und oft sind Erziehende und Begleitende entweder selber betroffen oder so eingebunden in Alltag und Beschaffung von Einkommen, dass Kinder mit diesen Erlebnissen alleine bleiben.

Queere Kinder, die einem Umfeld ausgesetzt sind, wo queere Personen diskriminiert und/oder angefeindet werden, oft auch bei sich zuhause, sind ausgeliefert und in ihrer Persönlichkeit und identität nicht akzeptiert. Dies ist auch oft eine frühe traumatische Erfahrung.

Kinder, die von der Gesellschaft behindert werden, werden unsichtbar gemacht, indem sie in Sonderschulen und Sondereinrichtungen untergebracht werden.

Dies ist nur ein Ausschnitt aus vielen Formen von Eingriffen in Kinderrechte und körperliche Selbstbestimmung von Kindern. Die Urbane hat einen ausführlichen Artikel zu Bildung im Programm. Aber auch der wurde von Erwachsenen Personen formuliert. Es sollten dazu gleichzeitig Ideen von Kindern gesammelt und eingebracht und angewendet werden, wie Bildung gestaltet werden sollte, wo sie stattfinden sollte und wann. Es könnte auch dabei herauskommen, dass dadurch die Institution Schule an sich infrage gestellt würde.

Wir fordern die Umsetzung der UN Kinderrechtskonvention, vor allem natürlich global, woraus sich wiederum eine Verantwortung der weißen Mehrheitsgesellschaften ableitet. In ihrem Konsum steckt jede Menge Arbeitsausbeutung von Kindern und das inkauf nehmen von Lebensstandards, die eben nicht der Kinderrechtskonvention entsprechen, die auch menschenrechtswidrig sind.

Außerdem muss die Kinderrechtskonvention absolute Lebensstandards formulieren für Kinder, anstelle von relativen Standards. Der Artikel 6: Recht auf Leben lautet: “(1) Die Vertragsstaaten erkennen an, dass jedes Kind ein angeborenes Recht auf Leben hat. (2) Die Vertragsstaaten gewährleisten in größtmöglichem Umfang das Überleben und die Entwicklung des Kindes.” Im globalen kolonialen System weißer Vorherrschaft nehmen Regierungen und Zivilgesellschaften weißer Mehrheitsgesellschaften in Kauf, dass die Kindersterblichkeit in vielen kolonial unterdrückten Ländern ca 30 x so hoch ist, wie in europäischen Ländern. Das kann nicht unter dem Label “größtmöglicher Umfang” so weiter gehen. Es ist offensichtlich, dass die hohe Kindersterblichkeit durch geringe Zugängen zu Gesundheit, Sicherheit, medizinischer Versorgung, Ernährungssicherheit und gesunder Umwelt zustande kommt. Es ist also ein strukturelles und politisches Problem, kein natürliches Phänomen. Kinderrechte, die nur für Kinder in weißen Mehrheitsgesellschaften realisiert werden, sind keine Rechte, sondern Privilegien. (Quelle: https://www.indexmundi.com/map/?v=29&l=de)

Wir fordern diese Formulierung: (2) Die Vertragsstaaten stehen füreinander ein für die Schaffung einer möglichst geringen Kindersterblichkeit. Diese muss umgehend global angeglichen werden und die nötigen Massnahmen hierfür müssen sofort umgesetzt werden.

Kinderrechte müssen ins Grundgesetz aufgenommen werden. Initiativen, die dazu arbeiten fordern dass im GG folgendes festgeschrieben wird:

  • Der Vorrang des Kindeswohls bei allen Kinder betreffenden Entscheidungen;
  • Das Recht des Kindes auf Anerkennung als eigenständige Persönlichkeit;
  • Das Recht des Kindes auf Entwicklung und Entfaltung;
  • Das Recht des Kindes auf Schutz, Förderung und einen angemessenen Lebensstandard;
  • Das Recht des Kindes auf Beteiligung, insbesondere die Berücksichtigung seiner Meinung entsprechend Alter und Reifegrad;
  • Die Verpflichtung des Staates, für kindgerechte Lebensbedingungen Sorge zu tragen.

[Quelle: https://kinderrechte-ins-grundgesetz.de/wp-content/uploads/2017/11/Formulierungsvorschlag_KR_ins_GG-2012-11-14-js.pdf]

Leben mit Kindern und Jugendlichen

Die Vorstellung, dass Erziehung nur in der sogenannten Familie stattfindet, ist aus dekolonialer Perspektive eine sehr eurozentrische Vorstellung. Sie individualisiert auch die Verantwortung für vermeintlich negative Ergebnisse dieser Erziehung. So wie Erziehende dadurch sich selbst mit den vermeintlichen Erfolgen oder Misserfolgen ihrer Kinder über-identifizieren, so entzieht sich die Gesellschaft als Ganzes dadurch der Verantwortung für vermeintliche Misserfolge (Schulabbrecher:innen, Suchtkranke, Obdachlose, Sexarbeiter:innen, Straftäter:innen, Hausbesetzer:innen, etc), während sie sich vermeintliche Erfolge (vermeintlich im Sinne von Erfolge und Misserfolge im kapitalistischen, patriarchalen, rassistischen System) aneignet und sich damit schmückt.

Schule als mit-erziehende Institution wird nicht als Teil der sogenannten Familie begriffen, Nachbarschaft auch nicht und die Gesellschaft allgemein schon gar nicht. Dabei ist die Beeinflussung von Kindern und Jugendlichen durch Medien und Werbebotschaften im öffentlichen Raum enorm und sehr präsent. Durch fahrlässiges Nicht-Eingreifen oder nicht ausreichend-Gestaltung und Regulierung von Inhalten, Präsentation, Repräsentation, etc. wird mindestens gleichermaßen “erzogen”, ohne dass die sogenannte Familie darauf direkt Einfluß nehmen kann.

Wenn Kinder und Jugendliche sich dem herrschenden rassistischen, patriarchalen, kapitalistischen, ableistischen und/oder cis-heteronormativen System verweigern und darin nicht funktionieren, daran verzweifeln oder darin rebellieren, wird dies pathologisiert. Die Verantwortung dafür wird auch wieder den Erziehenden übergeholfen, dabei sind es die Systeme, die daran großen Anteil haben. Insbesondere in der Tatsache, dass es Jugendstrafrecht gibt oder in Begriffen wie “Jugendkriminalität” findet sich dieses gesellschaftliche Versagen, für das die Verantwortung nicht ansatzweise ausreichend übernommen und getragen wird. Stattdessen trifft die Erziehenden erst Scham und dann Entzug des Rechts, Erziehende zu sein. Dies gilt unverhältnismäßig häufiger für BIPOC-Erziehende, FLINTA* und/oder LGBTQIA+Erziehende, für ALG2-empfangende Erziehende, Geflüchtete Erziehende, Sinte:zze und Rom:nja,, undokumentierte Erziehende etc.

Wir fordern, Erziehende wesentlich besser zu unterstützen, wesentlich mehr, dichtere und nachhaltigere nachbarschaftlich-gemeinschaftliche und wissensvermittelnde sowie kreativitätfördernde (schulische) Unterstützungssysteme und Institutionen zu schaffen, die solidarisch, intersektional machtkritisch, rassismuskritisch, vorurteilsbewusst  und diskriminierungssensibel arbeiten. Sie sollten bedarfsorientiert sein und bedürfnisorientiert. Das Funktionieren in den bestehenden Systemen darf nicht im Vordergrund stehen und nicht die Motivation sein. Initiativ-Kindergärten und ähnliche Einrichtungen sollen finanziell unterstützt werden. Jene bürokratischen Hürden sollen reduziert werden, welche die derzeit die Gründung solcher bedarfs- und bedürfnisorienterter Räume verhindern oder verzögern.

Der Spruch der nigerianischen Igbo 'Oran a azu nwa', bedeutet “es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen”. Eine Igbo Bezeichnung für Kinder ist 'Nwa ora', was “Kind der Gemeinschaft” bedeutet. Kinder und Jugendliche verdienen sehr viel größeren Respekt und mehr Wertschätzung. Für ihr Wohlbefinden, ihre Sicherheit, ihren Schutz muss die Gemeinschaft aka die Gesellschaft deutlich größere Verantwortung übernehmen.

Die herkömmliche Bezeichnung von Gemeinschaften von Erziehungsberechtigen und Kindern und Jugendlichen als Familie ist immer noch in Verbindung gebracht mit einer cis-heteronormativen Vorstellung. Aber wir fordern, dass alle möglichen Konstellationen, in denen Menschen mit Kindern und Jugendlichen in einer Sorge- und Verantwortungsbeziehung stehen, gleichgestellt werden, unabhängig davon, ob sie in dieses herkömmliche Bild passen oder nicht.

Eine große Benachteiligung erfahren Erziehende mit Kindern und Jugendlichen im System wie es aktuell besteht, durch die Abgabenlast in den Sozialversicherungssystemen Krankenkassen, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Pflegeversicherung. Wir fordern, dass die Abgabelast zugunsten von Gemeinschaften verändert wird, die Kinder und Jugendliche erziehen, betreuen, begleiten, ob als biologische Eltern, als alleinerziehende Elternteile, ob als Adoptiveltern, ob als anderweitig Sorgeberechtigte oder als queere Eltern oder auch als sogenannte Patchworkkombinationen daraus. Die Abgabenlast sollte mindestens im Verhältnis 2:1 stehen. Aktuell ist sie nur sehr geringfügig niedriger als die von Kinderlosen Gemeinschaften und damit finanzieren die Gemeinschaften mit Kindern und Jugendlichen zu fast 50% selber alle Leistungen, die sie erhalten über Steuern und Abgaben, die sie wiederum leisten. Dies ist unverhältnismäßig angesichts der Tatsache, dass die Gemeinschaften mit Kindern und Jugendlichen die Erziehungs- Pflege und Care-Arbeit komplett unentgeltlich tun.

Wie diese Leistungen verteilt sein sollten oder ob sie überhaupt noch nötig wären oder weiter bestünden nach Einführung eines BGE, muss Gegenstand von Forschung werden, die mögliche Modelle berücksichtigt.

Ehegattensplitting muss abgeschafft werden und die Familienzuschläge nur für Beamt:innen sind unzeitgemäß. Familienzuschläge sollten - wenn sie denn gezahlt werden - Erziehendenzuschläge heißen und sollten allen arbeitenden Erziehenden gleichermaßen zustehen.

Es ist untragbar, wie im Zusammenhang mit Einwanderung im aktuellen Asyl-System mit Menschen umgegangen wird. Kinder und Erziehende, Partner:innen ob mit oder ohne Heiratsurkunde, Geschwister und Eltern sollten das Recht haben, zusammen zu sein. Gerade, wenn die Trennungen nicht selbstgewählt ist, bzw viele Partner:innen, Kinder, Eltern nur zurückgelassen werden, um sie nicht den Gefahren einer Flucht auszusetzen, um sie aber sehr wohl alsbald zu holen, wenn dies auf sicheren Wegen über Visa etc gestattet wird, muss der Nachzug proaktiv befördert werden durch staatliche Institutionen. Langfristig sollte menschenrechtlich verbriefte Bewegungsfreiheit dazu führen, dass diese entwürdigenden Verfahren der Prüfung von Partner:innenschaft, Elternschaft, Verwandtschaft, etc. abgeschafft werden.

Zu vielfältigen Konstellationen von Erziehenden gibt es eine Reihe von Forderungen, die wir unterstützen:

1. Wunschkind- nicht Stiefkind! Für die Abschaffung des diskriminierenden Stiefkind-Adoptionsprozesses für Regenbogenfamilien!

  1. Vereinfachte Elternschaftsanerkennung für alle Regenbogenfamilien!
  2. Für Kinder aus lesbischen Ehen soll gelten: Automatische Elternschaft mit der Geburt
  3. Ein Kind, dass in eine lesbische Partnerschaft hineingeboren wird, hat automatisch zwei rechtliche Mütter und muss nicht erst adoptiert werden
  4. Familien mit mehr als zwei Eltern haben die Möglichkeit ihr Familienmodell rechtlich abzubilden
  5. Reproduktionsmedizin wird auch bei queeren Personen finanziell vom Land unterstützt
  6. Personen werden mit ihrem tatsächlichen Geschlecht in die Geburtsurkunde ihrer Kinder eingetragen, und nicht, wie im Moment bei trans* Eltern der Fall, mit dem alten Namen und dem alten Geschlechtseintrag
  7. Eltern mit dem Geschlechtseintrag „divers“ können mit einer geschlechtsneutralen Bezeichnung in die Geburtsurkunde ihrer Kinder eingetragen werden.
  8. Formulare wie Anträge für Kinder- und Elterngeld, Kinderpass etc. werden sprachlich an Vielfalt von Familien angepasst
  9. Familienbezogene Einrichtungen werden dazu verpflichtet, Familienvielfalt in ihre pädagogische Praxis zu integrieren
  10. Geburtsurkunden, Anträge, Formulare etc. verwenden nur noch den Begriff „Elternteil 1“, „Elternteil 2“  um allen Familienformen gerecht zu werden